Wegbereiter der deutschen Demokratie by Steinmeier Frank-Walter (Hg.)

Autor:Steinmeier, Frank-Walter (Hg.) [Steinmeier, Frank-Walter (Hg.)]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neuzeit bis 1918
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2021-10-27T00:00:00+00:00

Christian Jansen

Jakob Venedey (1805–1871) und Henriette Obermüller-Venedey (1817–1893)

Im Kampf für einen demokratischen Nationalstaat

‹ Jakob Venedey, Daguerreotypie von Hermann Biow, 1848. Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg. Henriette Obermüller-Venedey, Fotografie von unbekannter Hand, 1863.

Ob es heute in Deutschland eine zweite Familie mit einer derart eindrucksvollen demokratischen Tradition gibt? Bei den Venedeys beginnt sie, wie die moderne Demokratie überhaupt, mit der Französischen Revolution. Schon Jakob Venedeys Vater Michael (1770–1846), dessen Eltern innerhalb der Kölner Stadtmauern einen Bauernhof betrieben, beteiligte sich im Dezember 1789 an einem gewaltsamen Protest im Geiste der Revolution vor der Kölner Hauptwache, der brutal niedergeschlagen wurde. Der Jurastudent wurde verletzt und musste sein Studium unterbrechen, das er erst 1792 in Bonn fortsetzen konnte. Als im Herbst 1794 die französische Nordarmee die klerikale Herrschaft in Kurköln beendete, stellte sich Michael Venedey der neuen Regierung zur Verfügung. In verschiedenen Positionen arbeitete er für sie und warb auf zahlreichen Veranstaltungen für eine linksrheinische Republik (nach Mainzer Vorbild), später für den Anschluss an Frankreich. Venedey sympathisierte mit den Jakobinern und gründete in Köln verschiedene Vereine, deren wichtigsten, den «Konstitutionellen Zirkel», er als frühe demokratische «Partei modernen Stils» (Axel Kuhn) organisierte. Noch keine dreißig, war er eine wichtige Gestalt in der demokratischen Revolution, reorganisierte Justiz und Polizei, bis der Staatsstreich Napoleons 1799 einen autoritären Umschwung brachte. Venedey zog sich daraufhin aus der aktiven Politik zurück, arbeitete als Anwalt, hielt aber an seinen Zielen fest und verteidigte Arme und politisch Verfolgte.

Doch nicht nur der Vater, auch Jakob und Henriette Venedeys Sohn, der Rechtsanwalt Martin Venedey (1860–1934), war politisch aktiv und vertrat von 1891 bis 1919 den Wahlkreis Konstanz als demokratischer (freisinniger) Abgeordneter im badischen Landtag, war Fraktionsvorsitzender und von 1913 bis 1917 Vizepräsident des Parlaments. Im Ersten Weltkrieg wurde er Pazifist und engagierte sich in der Weimarer Republik an der Seite so prominenter Freunde wie des Friedensnobelpreisträgers Ludwig Quidde und Hellmut von Gerlachs in der Deutschen Friedensgesellschaft, im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und in der Deutschen Demokratischen Partei, gehörte also zu jener Minderheit der Liberalen, welche die Weimarer Reichsverfassung bis zum Ende verteidigte. Auch seine fünf 1902 bis 1920 geborenen Söhne, Jakob und Henriette Venedeys Enkel, waren demokratisch engagiert. Hermann, der zweitälteste (1904–1980), war wie sein Vater Mitglied im verfassungstreuen Reichsbanner, widersetzte sich 1933 als Assessor an einem Konstanzer Gymnasium unter Berufung auf seinen Amtseid dem Hissen der Hakenkreuzfahne, da er unter dieser Fahne nicht als Lehrer arbeiten könne. Von den lokalen Nazis verfolgt, floh er mit seiner Familie in die Schweiz, wo er ohne Arbeitserlaubnis lebte, ständig von Abschiebung bedroht, und erst 1942 als politischer Flüchtling anerkannt wurde. Nach der Befreiung kehrte er sofort nach Konstanz zurück und wurde schnell Schulleiter, engagierte sich für Demokratie und die europäische Aussöhnung. Sein älterer Bruder Hans (1902–1969) wurde als sozialdemokratischer Gemeinderat im März 1933 in «Schutzhaft» genommen, konnte aber ebenfalls in die Schweiz entkommen. Im Oktober 1945 ernannte ihn die US-Militärregierung zum hessischen Innenminister. Er setzte sich unter anderem für das Grundrecht auf Asyl ein, aber auch für die Vereinigung von SPD und KPD, was zum Parteiausschluss und Rücktritt vom Ministeramt führte.

Download

Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.